Normalerweise ist das Immunsystem in der Lage, gefährliche von harmlosen Reizen zu unterscheiden. Bei Neurodermitis reagiert das Immunsystem überempfindlich auf eigentlich harmlose Reize, mit denen der Körper in Kontakt kommt.
Eine wichtige Rolle spielen dabei bestimmte Zellen, die zu den weißen Blutkörperchen zählen: T-Zellen und T-Helferzellen. Bei den T-Helferzellen gibt es mehrere Unterarten. Wichtige Unterarten sind die Th1- und die Th2-Zellen.
Wie das Immunsystem bei Neurodermitis überreagiert
Bei Menschen mit Neurodermitis reagiert das Immunsystem besonders empfindlich – vor allem in der Haut. Dabei spielen bestimmte Abwehrzellen, die sogenannten Th2-Zellen, eine wichtige Rolle. Diese Zellen geben Botenstoffe ab, die “Zytokine” genannt werden. Zytokine sind wie kleine Signale, die anderen Abwehrzellen sagen, was sie tun sollen – zum Beispiel eine Entzündung auslösen.
In der Haut gibt es außerdem spezielle Zellen namens Langerhans-Zellen. Sie erkennen fremde Stoffe (wie Bakterien oder Allergene) und schlagen Alarm, damit das Immunsystem eine Abwehrreaktion startet.
Bei Menschen mit Neurodermitis reagiert das Immunsystem viel stärker als nötig – und manchmal sogar auf harmlose Dinge wie Hausstaub oder bestimmte Inhaltsstoffe in Reinigungsmitteln. Diese übertriebene Reaktion führt zu den typischen Beschwerden: die Haut wird rot, juckt und es entstehen Ekzeme (entzündete Hautstellen). Diese Entzündungen treten bei der Neurodermitis oft auch ohne spezifische Auslöser auf.
Im Körper laufen gleichzeitig Entzündungsvorgänge ab. Dabei werden bestimmte Zytokine – vor allem Interleukin-4 und Interleukin-13 – freigesetzt. Diese sorgen dafür, dass die Entzündung nicht so schnell wieder verschwindet. Selbst wenn der Auslöser der Entzündung schon weg ist, kann die Haut weiter entzündet bleiben.

Gestörte Hautbarriere erleichtert Erregern das Eindringen
Bei Neurodermitis kommt hinzu, dass eine gestörte Hautbarriere vorliegt. Die normale Schutzbarriere der Haut funktioniert nicht richtig und ist durchlässiger für Reize von außen. Dies macht es Fremdstoffen und Allergenen (allergieauslösende Substanzen) leichter, in die Haut einzudringen und eine Entzündung auszulösen.
Bei vielen Betroffenen mit Neurodermitis ist die Zusammensetzung der oberen Hautschicht verändert. Ein bestimmter Eiweißstoff (Filaggrin), der für die Vernetzung der obersten Hautschicht wichtig ist, fehlt oder funktioniert nicht richtig. Dies führt dazu, dass die Schutzbarriere der Haut beeinträchtigt ist. Die Haut verliert mehr Wasser, trocknet leichter aus und wird anfälliger für Umweltreize und Entzündungen.
Die Frage, ob die gestörte Hautbarriere die Entzündung begünstigt oder ob die Entzündung in der Haut bereits vorhanden ist und die Störung der Hautbarriere eine Folge ist, wurde bislang noch nicht abschließend geklärt. Bei Betroffenen mit Neurodermitis findet man Entzündungszellen sowohl in der erkrankten als auch in der gesunden Haut und im Blut.

Komplexes Zusammenspiel mehrerer Faktoren
Nach derzeitigem Wissensstand geht man davon aus, dass die Entstehung von Neurodermitis ein komplexes Zusammenspiel mehrerer Faktoren ist. Neben der gestörten Hautbarriere und der Überreaktion des Immunsystems tragen erbliche Einflüsse und Reize aus der Umwelt dazu bei, dass die Symptome der Neurodermitis auftreten.
Nicht zuletzt können auch Stress und die Psyche Einfluss auf die Entstehung von Entzündungen haben. Bei Stress werden im Körper bestimmte Botenstoffe ausgeschüttet, die Entzündungsreaktionen begünstigen und die Regulation des Immunsystems beeinflussen können. Die genauen Vorgänge sind noch Gegenstand der Forschung. Es gibt jedoch mehrere Studien, die einen Zusammenhang zwischen psychischem Stress und vermehrtem Entzündungsgeschehen zeigen konnten.
Quellen:
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